Tag 10 auf dem Camino del Norte. Meine Strecke in Spanien führt mich von Santander nach Isla Playa. Die Teilstrecke ab Santander Hauptbahnhof bis zum Bahnhof Heras fahre ich mit dem Zug. Insgesamt gehe ich 35,6 Kilometer in knapp 10,5 Stunden. Ich lege rund 649 Meter Aufstieg und rund 763 Meter Abstieg zurück. Lies hier, wie ich mit Kühen Tetris spiele, Santander in der Ferne bewundere und angeblich keine Hotelreservierung existiert … Infos zu meinen Reisen findest Du hier, auf Instagram und auf Youtube. Auf Twitter und über Telegram wirst Du zudem über neue Beiträge informiert. Hier geht’s zur Übersicht der einzelnen Tage. Weitere Fotos vom Jakobsweg findest Du auch in der Fotoparade zum ersten Reisehalbjahr 2018.
Um 1:30 werde ich wach, weil die Innenstadt lautstark gereinigt wird. Das sieht man tagsüber: alles ist hochpoliert. Ich versuche schnell wieder einzuschlafen, denn ich habe einen langen Tag vor mir. Um kurz nach 6 stehe ich auf und um 6:40 Uhr verlasse ich wie geplant das Hotel. Ich habe keine Leggings an, sondern nur die wasserabweisende Hose. Es ist super warm, auch schon so früh. Ich stelle mir vor, die Leggings wäre die bessere Wahl gewesen.
Ich bin topfit – auch ohne den am Vorabend extra bereit gelegten Pocket Coffee. Um 6:50 Uhr erreiche ich den Bahnhof und kaufe am Schalter ein Ticket für 1,95 Euro. Ich freue mich auf das Vier-Sterne-Hotel mit Fitnessstudio am Abend. Ich denke darüber nach, dass die bessere und günstigere Alternative zu Interrail vermutlich einfach die Nutzung von Regionalzügen oder Bussen in Kombination mit Lauftagen ist.
Im Bad ziehe ich mich doch noch um und habe nun die Leggings an. Meine Fahrt dauert 15 Minuten und um 7:30 Uhr bin ich enthusiastisch und topfit unterwegs. Der Himmel ist traumhaft, es wird langsam hell. Meine Knöchel sind mit Verband und Ersatzsocken als Polsterung recht gut versorgt und mir ist warm. Ich gehe nun ein Stück Landstraße und dann sollte es bald schon hell werden. Es ist laut, es fahren viele Autos und es riecht überall viel zu gut und intensiv nach warmen Teigwaren. Ich habe Hunger. Die Kniebandage habe ich weiterhin präventiv an.
Um kurz vor 8 laufe ich über einen Platz und plötzlich begegnen mir etliche Kühe. Hintereinander. Der Weg wird plötzlich wieder sehr schmal und ich habe wirklich großen Respekt vor Kühen. Kühe sind wirklich große Tiere mit sehr viel Kraft. Ich bleibe stehen. Die Kühe auch. Wir starren uns an. Wir haben alle Respekt. Es hilft ja nichts, ich gehe langsam weiter, mein Blick demütig gen Boden. Zwischendurch blicke ich hoch, grüße die Kühe und gehe weiter. Einmal befinden wir uns in einem Tetris-Spiel und wissen nicht, wohin wir ausweichen sollen, um einen Zusammenstoß zu verhindern. Es gelingt. Nach einigen Minuten nähert sich ein Mann auf dem Traktor, der sie antreibt.
Gegen 8:10 Uhr geht die Sonne auf und der Himmel begeistert mich mit verschiedenen Farben zwischen gelb und blau. Ich bin im Hinblick auf die heutige Strecke sehr zufrieden mit meiner bisherigen Laufgeschwindigkeit. Etwa um 8:30 Uhr sehe ich Santander auf der anderen Seite des Meers. Es ist traumhaft schön und sicher ein Ort, den man sehen sollte, wenn man Santander besucht. Ganz grob erinnert es mich an einen Blick aus der Ferne auf eine Stadt wie New York oder auch San Francisco. Generell ist es seit Santander auch nicht mehr „das einfache Leben“, sondern mehr Luxus.
Laut Anzeige sind es vor 9 Uhr bereits zehn Grad. Mit Blick auf Santander mache ich Pause und esse. Mein Essen neigt sich schon wieder dem Ende. Ich habe nur noch eine Packung trainingskonformer Kekse, zwei Äpfel und fünf Proteinriegel, die mir nicht schmecken. Ich laufe weiter und stelle fest, dass ich links ohne Bandage doch Probleme beim Gehen habe. Ich ändere nichts und gehe weiter.
Ewig lang gehe ich am Strand entlang. Der Sand ist sehr hart und ich versinke nicht, was das Gehen recht angenehm macht. Das Meer ist weit weg, denn der Strand ist riesig. Ich freue mich. Es ist wunderschön und so warm, dass ich die Jacke ausziehe. Die Sonne knallt.
An einer Stelle muss ich erneut durch jede Menge Wasser und erneut mehr als dankbar, dass meine Schuhe halten. Ohne so gute Schuhe, hätte ich schon lange hingeschmissen. Um 10:30 Uhr halte ich kurz in einem Supermarkt für einen Snack und eine Dose Limonade. Kurz darauf merke ich, dass mein pilgernder Körper so gar keinen Zucker konsumieren will. Ekelhaft. Ich wäre besser beim Wasser geblieben. Ich gehe an einer Wiese vorbei, auf der drei Schafe, fünf Ziegen, drei Hühner und zwei schwarze Schweine in einer Tier-Gemeinschaft leben.
Ich hoffe, dass ich am Zielort Lebensmittel kaufen kann, denn ich habe wirklich Hunger. Um 13:30 Uhr mache ich eine Pause an einem wundervollen kleinen Auto-Rastplatz mit Fernblick, telefoniere und genieße die Sonne. Gegen 16:30 Uhr bin ich am Hotel. Das Hotel, auf das ich mich schon lange gefreut habe.
Ich sage, dass ich eine Reservierung habe. Die Frau starrt mich an, fragt ob für heute. Ich sage ja. Sie sucht rum, sagt es kostet 50 Euro. Ich sage nein, 40. Sie sagt 50. Ich zeige ihr meine Reservierung und sage 40. Sie sagt, sie hat keine Reservierung. Ich zeige ihr erneut die Reservierung und biete an, dass wir dort anrufen können, um es zu klären. Sie verdreht die Augen, gibt mir einen Zettel zum Unterschreiben, erneut mit 50 Euro. Ich weise darauf hin und genervt korrigiert sie den Preis. Ich frage was mit dem Fitnessstudio ist: öffnet um 16 Uhr und schließt um 20 Uhr. Ich frage, ob ich es vielleicht auch noch danach nutzen könne. Nicht. Aha. Ich bin super genervt. Ich frage nach einem Supermarkt und sie teilt mir mit, wo ich ihn finde.
Nachdem ich meine Sachen abgestellt habe, gehe ich zum Supermarkt. Das Fitnessstudio ist fast komplett auf Beintraining ausgelegt, was ich nicht machen möchte. Ich bin mir noch unsicher, ob es ich nutzen will. Am Supermarkt angekommen darf ich feststellen, dass er geschlossen ist und glücklicherweise in zehn Minuten öffnet. Ich finde unfassbar, dass die Frau im Hotel mich hier ohne Hinweis auf die Öffnungszeiten hingeschickt hat.
Ich überbrücke die Zeit am Meer, wo wahnsinnige Wellen meterhoch in die Höhe preschen. Beeindruckend. Ich gehe zurück zum Supermarkt und kaufe überteuert Essen ein. Erneut gerate ich an eine Verkäuferin, die unfassbar unfreundlich ist, sobald sie merkt, dass ich ihre Sprache nicht spreche. Ich verstehe nicht, was diesmal los ist und wieso alle Spanier so scheiße sind. Auf dem Camino Portugues habe ich ständig von der Freundlichkeit der Spanier geschwärmt …
Ich stelle meine Einkäufe im Hotel ab und ziehe nochmal los zum Meer, wo ich meinen Salat esse. Als ich gegen 19 Uhr wieder am Hotel ankomme, stelle ich fest, dass meine Leggings, die ich heute erstmals ohne andere Hose anhatte, ein Loch am Arsch hat. Sie ist vermutlich nicht geeignet, um auf Steinen zu sitzen. Ich dusche und wasche den Großteil meiner Kleidung. Training und Sauna sind keine Option mehr, ich wünsche mir zu schlafen, lege mich gegen 20 Uhr hin.
Nachdem ich nicht mehr schaffe, was ich Berufliches noch machen wollte und mich ungewollt noch einer privaten Diskussion widme, ist es plötzlich nach 22 Uhr. Ich bin alles andere als begeistert, denn mein Körper braucht den Schlaf. Ich checke die Kleidung und stelle überrascht fest, dass sie an der Heizung klebt, da diese so heiß ist. Gegen 23 Uhr schlafe ich extrem schlecht gelaunt ein.
Kommentar verfassen