Tag 4 auf dem Camino del Norte. Meine Strecke in Spanien führt mich zunächst von Llanorozo bis Soto del Barco. Dazu laufe ich zunächst vom Hotel nach Riego Abajo und zurück. Mit dem Taxi fahre ich anschließend nach Cudillero, wo ich eine Weile in der Stadt unterwegs bin, bevor ich mit dem Bus nach Soto del Barco fahre und dort zu meinem Hotel laufe. Insgesamt gehe ich schmerz- und regenbedingt nur rund 9,62 Kilometer in knapp 5:15 Stunden. Ich lege rund 340 Meter Aufstieg und rund 330 Meter Abstieg zurück. Lies hier, wie ich nachts fast ersticke, mich in Cudillero verliebe und in Decken gehüllt Tee trinke … Infos zu meinen Reisen findest Du hier, auf Instagram und auf Youtube. Auf Twitter und über Telegram wirst Du zudem über neue Beiträge informiert. Hier geht’s zur Übersicht der einzelnen Tage.
Um 2:25 Uhr werde ich wach und kann kaum atmen. Im Zimmer sind gefühlte 50 Grad. Ich schrecke auf. Entledige mich der inzwischen sehr warmen Wickel, die meine leuchtend roten Knöchel kühlen sollten und renne von Heizung zu Heizung. Alle Heizkörper sind so heiß, dass man sie nicht anfassen kann – das merke ich, als ich mich am ersten verbrenne und lautstark fluche. Die Fenster sind abgeschlossen und die Terrassentür möchte ich nicht öffnen, weil ich nicht weiß, ob draußen jemand sein könnte. Ich trinke so viel Wasser wie ich nur kann und nutze kaltes Wasser, um mich abzukühlen. Ich verstehe die Heizungen nicht, da man nichts drehen kann. Ich lege mich hin und versuche zu schlafen. Ich bekomme noch mit, dass es um 2:50 Uhr extrem stark zu regnen beginnt.
Um 7:30 Uhr stehe ich auf und stelle fest, dass ich kaum auftreten kann. Ich entscheide mich gegen Voltaren, um den Schmerz zu spüren. Pferdesalbe zum Kühlen verwende ich dennoch. Jemand mutmaßt, dass ich die Schuhe zu eng schnüre. Kann ich nicht wirklich einschätzen, da ich solche Schuhe sonst nie trage. Ich bin halbwegs motiviert, die geplante Strecke zu laufen, da sie laut meinen Recherchen eine der schönsten Etappen der Tour sein soll. Meine Lowa-Sohlen habe ich gegen die Memory-Foam-Sohlen getauscht, die ich zum Wechseln dabei habe.
Erst um 9 Uhr gehe ich los Richtung Leuchtturm. Ich schreibe weiterhin mit jemandem, der viel wandert, bzgl. meiner Schmerzen. Schließlich wird mir geraten, die Schuhe unten relativ fest normal zu schnüren und oben nur sehr locker eine Schleife zu machen. Zwei Schleifen also. Sofort setze ich das um und sofort macht es sich bemerkbar. Positiv! Ich bin unendlich dankbar für diesen Tipp und gehe mit weniger Schmerzen zum Supermarkt, in dem ich Proviant für die kommenden Tage kaufe: vier Bananen, eine gigantische Paprika und ein großes, geschnittenes Vollkornbrot. Paprika und Brot zusammen füllen das große, obere Fach meines Rucksacks fast vollkommen aus.
Kurz darauf läuft einige Minuten aufgeregt ein kleiner Hund mit Glöckchen neben mir her, bis er sich umdreht und einfach wieder nach Hause geht. Als ich am Meer ankomme, beginnt es zu regnen und zu stürmen. Meine Motivation wird weggeweht. Neben einer großen grünen Mülltonne, in der etliche Kondomverpackungen schwimmen, steht ein Esel, der mich gelangweilt ansieht. Ich gehe wieder zurück Richtung Hotel und plane einen Bus zu nehmen. Es fährt kein Bus. Im Hotel frage ich den netten Mann vom Vorabend und er ruft mir schließlich ein Taxi. Für 15 Euro fahre ich nach Cudillero. Mit dem Betrag komme ich in einer deutschen Stadt nicht mal vom Hauptbahnhof zu einer Adresse, die zehn Minuten entfernt ist … Während der Fahrt bin ich jedenfalls mehr als dankbar, dass ich mir keine Gedanken darüber machen muss, ob ich jetzt ein Taxi nehme oder nicht. Der Mann aus dem Hotel hat nicht zu viel versprochen und Cudillero ist traumhaft schön. Vor allem gibt es aber echtes Essen – an fast jeder Ecke. Ich steige aus und freue mich, dass seit der Fahrt an meinem Rucksack ein kleiner Pin mit der Jakobsweg-Muschel und „I love Cudillero“-Schriftzug befestigt ist. Der nette Mann im Hotel hat ihn mir geschenkt, bevor ich ins Taxi stieg.
Ich erkenne recht schnell, dass dieser Aufenthalt sehr treppenlastig wird. Das kleine Dorf befindet sich am Berg und etliche kleine Gassen durchziehen es. Hier muss man fit sein, denke ich, beim Blick auf die ältere Bevölkerung. Ich laufe umher und möchte die drei Routen gehen, die auf dem Stadtplan eingezeichnet sind. Dazu folge ich nach einem ersten Eindruck von der kleinen Stadt den farbigen Markierungen. Auf einem Aussichtspunkt frühstücke ich schließlich gemeinsam mit einer Möwe. Wir schließen folgenden Deal: im Tausch gegen etwas Brot, darf ich einige Fotos von ihr machen. Wir halten uns beide an den Deal und lächelnd ziehe ich weiter. Stufe für Stufe.
Von weitem sehe ich Absperrbänder, doch ich gehe weiter. Bis eine alte Frau mehrmals ruft: „Hola Chica!“ Ich gehe zu ihr und sage ihr, dass ich kein Spanisch spreche. Beharrlich und sehr energisch erklärt sie mir, dass ich dort nicht weitergehen könne und zeigt mir einen anderen Weg. Immer wieder staune ich, wie gut man sich ohne Sprachkenntnisse verständigen kann. Ich tippe auf Mord und gehe weiter. Am nächsten Aussichtspunkt suche ich einen Bus, der in die Nähe meines Hotels fährt. Ich entscheide mich für einen mit Abfahrt in zwei Stunden.
Eine Stunde zu früh betrete ich einen Supermarkt in der Nähe der Bushaltestelle. Ich verifiziere zunächst, dass es sich um die richtige handelt und beschließe, mir eine Zitronenlimonade zu kaufen. Weil ich einfach Lust darauf habe. Normalerweise trinke ich niemals Softdrinks. Ewig schlendere ich durch den Supermarkt und bereue, morgens mit Paprika und Brot meinen Rucksack vollgestopft zu haben. Lieber hätte ich hier mehr Vielfalt gekauft. Ich kaufe dennoch etliches und brauche eine gefühlte Ewigkeit, um es im Rucksack und unter der Regenhülle zu verstauen.
Nachdem ich lange an der Bushhaltestelle warte, ein Bus vorbeirast, er später wiederkommt und ich mit verschiedenen Menschen in verschiedenen Sprachen kommuniziere, steige ich gegen 14:45 Uhr müde ich den Bus. Ich zahle 1,50 Euro und bin etwa 20 Minuten später in Soto del Barco an einer Haltestelle, von der aus mein Hotel nicht mehr weit sein soll. Ich gehe einen Weg mit Fernblick, der mich an die Schweiz erinnert und erstarre, als ich vor einer Haustür drei Katzen und ein Huhn sitzen sehe, die sich vor dem Regen verstecken. Drei Katzen und ein Huhn! Sitzen zusammen vor einer Haustür! Ich muss das fotografisch festhalten.
Kurz darauf finde ich das Hotel. Ich stehe vor dem Eingang und keiner macht auf. Ich rufe an und keiner geht dran. Es dauert rund zehn Minuten, bis ich den Besitzer erreiche und er mir – auf Spanisch – erklärt, wohin ich muss. Ich bin auf der falschen Seite, dennoch aber dort, wohin die Schilder zeigten. Ich bin müde, mir ist kalt, ich habe Schmerzen und ich bin genervt. Ich hoffe auf eine Heizung. Mich begrüßen zwei aufgeregte Hunde, einer etwa so groß wie ich, der andere etwa so groß wie mein Schuh. Im Garten stehen Hühner. Mein Zimmer ist groß, mit Blick auf den Garten. Und kalt. Der Mann zeigt mir mein Zimmer und dreht die Heizung an. Dann geht er. Die Heizung im Bad verstehe ich nicht, denn ich kann nichts drehen. Ich befrage eine Suchmaschine, wie spanische Heizungen funktionieren, aber ich finde nichts.
Ich beschließe, dass ich essen werde und danach arbeiten. Dass ich das Zimmer nicht mehr verlasse, insbesondere, da ich am nächsten Tag früh los muss. Innerhalb von drei Minuten fresse ich eine riesige Packung Schokoladenmousse – bis mir schlecht ist. Es regnet jetzt beständig. Ich sitze auf dem Bett und friere. Beschließe, erst mal wegen der falschen Abrechnung im vergangenen Hotel bei meinem Buchungsportal anzurufen. Das dauert eine Weile und führt nicht zum gewünschten Ergebnis. Mir ist kalt. Ich gehe raus und bitte den Mann, mir einen Tee zu machen. Der hilft dann ein wenig gegen die Kälte, während ich in Decken gehüllt auf dem Bett sitze und arbeite. Ich erinnere mich an meinen letzten Jakobsweg und stelle fest, dass ich damals einfach die Strecke durchgezogen hätte und jetzt erst so schlau bin, lieber einen Tag weniger zu machen und dafür dann bis zum Ende fit zu sein.
Gegen 18 Uhr komme ich auf die Idee, das Bad vor dem Duschen mit heißem Wasser der Dusche zu erhitzen, da die Heizung nicht geht. Es funktioniert nicht, denn das Wasser ist nicht heiß. Ich dusche dennoch, erfriere und ordere noch eine Kanne Tee für zwei Euro. Ich putze meine Schuhe, die es verdammt nötig haben und kümmere mich um meine immer noch schmerzenden Knöchel. Genaugenommen, ist weiterhin kein Knöchel zu sehen, weil die Schwellung so stark ist. Vom Reiben der feuchten Socken an dem schlimmen Regentag ist zudem die Haut vollkommen kaputt. Schließlich suche ich noch einmal den Hotelmann auf und befrage ihn zu dem Zug, den ich morgen nehmen werde. Tatsächlich wäre ich falsch gegangen. Mit Hilfe eines Übersetzers stellen wir sicher, dass wir auch wirklich dasselbe meinen. Er ist aufgeregt, weil ich nicht nur der einzige Gast und der erste Pilger bin, sondern auch noch in die „falsche“ Richtung gehe. Ich rechne müde noch aus, dass ich fast 110 Kilometer insgesamt ging und lege mich frierend hin. Vor 21 Uhr schlafe ich.
Dieser Beitrag ist Teil meines Reiseberichts zu meiner Jakobsweg-Wanderung entlang des Camino del Norte im Februar 2018 mit der Laufstrecke Ribadeo – Gijón – Santander – Bilbao.
Weitere Berichte zu meiner Wanderung auf dem spanischen Camino del Norte:
Tag 0: Flug ins verschneite und heizungslose Spanien
Tag 1: Unerwartetes Trampen, Belästigung und fantastische Küste
Tag 2: Hagel, das Tal des Grauens und atemberaubende Meerblicke
Tag 3: Rote Knöchel, Bündel und Wälder auf einer der schönsten Etappen
Tag 5: Ausbruch aus dem Hotel, Schmerzen und eine kleine Weltreise
Tag 6: Verpasster Bus, Weltuntergang in Gijón und unfreundliche Spanier
Tag 7: Regen, Sonne und Irland-Feeling in Begleitung
Tag 8: Regen, Regen und Alpakas auf dem Weg nach Viveda
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