Tag 6 auf dem Camino del Norte. Meine Strecke in Spanien führt mich zunächst von Luanco bis San Vicente de la Barquera. Ich gehe dabei nur einen Teil der Strecke auf dem Weg von Luanco bis Gijón und fahre von dort rund 120 Kilometer bis ans Ziel. Insgesamt gehe ich heute nur 11,3 Kilometer in knapp 4,5 Stunden. Ich lege rund 706 Meter Aufstieg und rund 694 Meter Abstieg zurück. Lies hier, wie ich einem Bus hinterher renne, als Glöckner von Notre-Dame an der spanischen Fastnacht teilnehme und kein Essen finde … Infos zu meinen Reisen findest Du hier, auf Instagram und auf Youtube. Auf Twitter und über Telegram wirst Du zudem über neue Beiträge informiert. Hier geht’s zur Übersicht der einzelnen Tage.
Um 6 Uhr werde ich wach, weil ich erfriere. Mir ist so kalt! Ich stehe auf und beginne mit einem kleinen Workout, in der Hoffnung, dass sich mein Körper aufwärmt. Passiert nicht. Also lege ich mich wieder hin und falte die Decken so gut es geht, damit möglichst viele Schichten davon auf mir liegen. Ich schlafe erneut ein. Um 8:30 Uhr stehe ich auf, denn um 9 Uhr will ich frühstücken und um 10 Uhr den Bus nehmen.
Das Frühstück ist wundervoll. Ich bin der einzige Gast, es kommen später aber noch zwei. Der nette Mann vom Vorabend bringt mir Essen und presst mir einen Orangensaft. Ich bin begeistert, obwohl die Auswahl recht spärlich ist. Wir reden viel über seine Reisen und einige Gäste, die er in seinem Hotel kennenlernte. Pünktlich gehe ich ins Zimmer und hole meine Sachen. Ich hatte alles schon fertig gepackt. Unten rede ich noch ein paar Minuten mit ihm, immer die Uhr hinter ihm im Blick, damit ich auf keinen Fall meinen Bus verpasse. Als es etwa 9:55 Uhr ist, verabschiede ich mich. Die Bushaltestelle ist gleich an der nächsten Straßenecke und so habe ich noch einen kleinen Puffer.
Ich verlasse das Hotel und freue mich, dass es warm ist. 17 Grad sollen es heute sein. Ich gehe bergab und schaue aufs Handy. 9 Uhr. 9 Uhr? Die Uhr im Hotel muss falsch gehen! Ich renne los und höre den Bus, sehe, wie er die Kreuzung passiert. Ich renne! Busse in Spanien halten nur, wenn man an der Haltestelle steht und signalisiert, dass sie anhalten sollen. Niemand steht dort. Als ich die Kreuzung erreiche, sehe ich nur noch die Rücklichter des Busses, der die Straße entlang rast.
Kurz hinter ihm kommt ein Auto auf mich zu, dessen Fahrer sieht, wie ich hinter dem Bus her renne. Ich weiß, dass der nächste erst in zwei Stunden kommt, also strecke ich meinen Arm aus und hebe meinen Daumen. Der Fahrer sieht mich an und fährt weiter. Ich fluche. Und wie! Hätte ich geplant die Strecke zu gehen, hätte ich viel früher losgehen müssen! Ich bin angepisst! Es regnet! Ich muss heute nach Gijón und ich muss dort einen Bus kriegen, der mich rund 120 Kilometer näher ans Ziel bringen soll. Für das Wetter bin ich viel zu warm angezogen, denn unter der wasserabweisenden Hose habe ich noch die normale Leggings an. Ich frage gegen 11 Uhr eine Frau und sie erklärt mir in schlechtem Englisch, dass ein Zug nach Gijón fährt und ich damit rund 25 Minuten brauche. Ich ziehe ein Ticket und warte.
Ich würde gerne die Leggings ausziehen, aber sie hält meinen Verband. Ich würde gerne die normale Hose ausziehen, aber sie ist wasserabweisend und es regnet. Laut Anzeige hat der Zug Verspätung. So viel, dass sich die Zeit immer nach hinten verschiebt. Um 11:35 Uhr sitze ich endlich im Zug und um 12 Uhr komme ich an. Es regnet in Gijón. Ich bin vollkommen unbegeistert, laufe im Regen durch die Stadt und finde den Jakobsweg. Außerdem finde ich Fastnacht! Alle sind verkleidet und organisieren winzige Umzüge. Ich sehe mich in einer Spiegelung und denke, ich gehe auch als verkleidet durch. Erneut Lily, wenn sie Marshall und seine Neue stalkt oder vielleicht auch der Glöckner von Notre-Dame. Es könnte mir egaler nicht sein. Irgendwann geht die Welt unter und ich suche Zuflucht in einem Souvenirshop. Versuche mir nicht anmerken zu lassen, dass ich aus Deutschland bin und fremdschäme mich, als ich den deutschen Touristen zuhöre. Es regnet einfach zu sehr. Ich beschließe weiterzugehen, statt ewig in diesem Shop zu bleiben.
Irgendwann gehe ich zu der Busstation und kaufe ein Ticket nach San Vicente de la Barquera. Glücklicherweise habe ich das frühzeitig gemacht, denn jetzt waren schon nur noch sieben Plätze frei. Ich setze mich nebenan in ein Café und bestelle einen Tee. Ich versuche es zumindest. Erneut verdreht jemand die Augen, weil ich kein Spanisch spreche. Ich bin unendlich angepisst vom Verhalten der Spanier, wenn man ihre Sprache nicht spricht und fühle mich ähnlich willkommen wie in Frankreich. Ich hatte die Spanier beim Camino Portugues sehr freundlich wahrgenommen. Das kann ich diesmal leider gar nicht behaupten und bin extrem von den meisten Spaniern genervt.
Nachdem ich endlich wieder zum Arbeiten kam, bin ich gegen 15 Uhr an der Bushhaltestelle und steige bald darauf in den Bus ein. Es stinkt und es herrschen locker 30 Grad. Ich ertrage diese Hitze-Kälte-Wechsel kaum mehr. Um 17:30 bin ich in San Vicente de la Barquera und versuche in meine Pension zu kommen. Ein Mann vom Restaurant gegenüber mutmaßt, dass vor 20 Uhr keiner aufmachen wird. Es regnet. Ich bin genervt. Sehr. Ich versuche irgendwen telefonisch zu erreichen, was mir nicht gelingt. Auf keinem Weg. Nach langer Suche finde ich noch eine andere Nummer und erreiche endlich jemanden, der erneut kein Wort Englisch kann. Egal. Wir finden uns und er lässt mich endlich in mein Zimmer. Ich verhungere, also stelle ich meinen Rucksack ab und begebe mich auf Nahrungssuche. Ich möchte etwas zum Mitnehmen aus einem Restaurant, denn alle Supermärkte haben zu. Ich verbinde das noch mit einem kleinen Stadtrundgang. Bei gutem Wetter würde es mir sicher gut gefallen.
Das erste Restaurant weigert sich, mir etwas zum Mitnehmen zu machen – außer ein Sandwich. Das zweite hat Essen erst ab 20 Uhr. Das dritte hat ganz zu. Im vierten erkläre ich sogar auf Spanisch, dass ich nur etwas mitnehmen möchte. Der Mann suggeriert zu verstehen, drängt mich aber immer und immer wieder, mich zu setzen. Also setze ich mich. Er stellt ein Glas auf und bringt Besteck. Erneut betone ich, dass ich nur etwas mitnehmen möchte. In allen verfügbaren Sprachen. Er nickt und geht. Kommt wieder, bringt Brot. Ich werde langsam wirklich genervt und betone ein letztes Mal, dass ich nur etwas mitnehme. Sein Blick gefriert und er verschwindet wortlos. Kommt kurz darauf wieder, knallt mir das Essen in einer Tüte auf den Tisch und geht an die Theke. Redet mit zwei Männern. Ich atme tief ein, stehe auf und zahle. Er würdigt mich keines Blickes und ich gehe – hochgradig genervt.
Es ist mir zu spät. Die neun Stunden Schlaf letzte Nacht haben mir nicht gereicht. Ich brauche mehr, denn mein Körper ist erschöpft. Erst um 20:15 Uhr bin ich wieder im Hotel, habe auf dem Weg dorthin zwei Pilger mit Jakobswegmuschel am Rucksack gesehen. Ich esse. Ich möchte nicht darüber reden, wie das Essen geschmeckt hat. Niemals. Dann rechne ich aus, dass ich insgesamt über 160 Kilometer ging und checke kurz das Wetter für morgen: 6 Grad angeblich. Ich heize das Bad erfolgreich mit einer heißen Dusche auf, da wieder keine Heizung funktioniert. Nachdem ich wieder mein Wärmebalsam genutzt habe, schlafe ich endlich gegen 21 Uhr.
Dieser Beitrag ist Teil meines Reiseberichts zu meiner Jakobsweg-Wanderung entlang des Camino del Norte im Februar 2018 mit der Laufstrecke Ribadeo – Gijón – Santander – Bilbao.
Weitere Berichte zu meiner Wanderung auf dem spanischen Camino del Norte:
Tag 0: Flug ins verschneite und heizungslose Spanien
Tag 1: Unerwartetes Trampen, Belästigung und fantastische Küste
Tag 2: Hagel, das Tal des Grauens und atemberaubende Meerblicke
Tag 3: Rote Knöchel, Bündel und Wälder auf einer der schönsten Etappen
Tag 4: Atemnot, Tierfreundschaften und das wunderschöne Cudillero
Tag 5: Ausbruch aus dem Hotel, Schmerzen und eine kleine Weltreise
Tag 7: Regen, Sonne und Irland-Feeling in Begleitung
Tag 8: Regen, Regen und Alpakas auf dem Weg nach Viveda
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Hi! In Gijón war ich im Sommer für drei Tage. Eine nette Stadt, sieh sie dir doch nochmal bei Sonne an. =)