Tag 8 auf dem Camino del Norte. Meine Strecke in Spanien führt mich von Toñanes nach Viveda. Insgesamt gehe ich 18,7 Kilometer in knapp 8,5 Stunden. Ich lege rund 464 Meter Aufstieg und rund 518 Meter Abstieg zurück. Lies hier, wie ich mich über Alpakas freue, trotz Regen nicht auf den Bus umsteige und endlich einen Supermarkt finde … Infos zu meinen Reisen findest Du hier, auf Instagram und auf Youtube. Auf Twitter und über Telegram wirst Du zudem über neue Beiträge informiert. Hier geht’s zur Übersicht der einzelnen Tage. Weitere Fotos vom Jakobsweg findest Du auch in der Fotoparade zum ersten Reisehalbjahr 2018.
Der Tag beginnt für mich mit einem kurzen Kassensturz: ich addiere die bisher gegangenen Kilometer. Rund 190 bin ich bislang gegangen. Zufrieden bin ich damit nicht, trotzdem aber voller Energie wach geworden und bereit für einen neuen Tag. Um 8:30 Uhr sitze ich alleine beim Frühstück, das nur für mich als riesiges Buffet bereitet wurde. Ich habe ein schlechtes Gewissen, da ich nicht viel esse. Bereits vor 9 Uhr laufe ich los … so enthusiastisch, dass mir nach einigen Metern erst auffällt, dass ich vergessen habe, meine Schuhe zu schnüren. Ich hole das auf der Straße nach.
Ich beschließe, mir Santillana del Mar anzusehen, da meine nette Begleitung gestern mir viel Positives davon berichtet hat. Sie hat mir erklärt, dass dieser Ort drei Fehler hat: er ist weder heilig, noch flach, noch am Meer – obwohl der Name all dies behauptet. Außerdem hat sie mir erklärt und gezeigt, dass Bauern und Fischer das Meer nicht mögen und man daran schnell deren Häuser erkennen könne: sie sind aus Stein und haben so gut wie keine Fenster zum Meer und auch Bänke auf dem Grundstück sind vom Meer abgewandt. Spannend. Ich bin weiter hoch motiviert und glaube fest daran, dass es heute nicht regnet und beschließe direkt zu Beginn die Extrameile zu gehen, um schönere Strecken zu sehen.
Bereits um 9:30 Uhr regnet es extrem stark. Mir begegnet ein Pilger mit wahnsinnig viel Gepäck, der fix und fertig, nickend an mir vorbei geht. Ich freue mich, dass ich so leichtes Gepäck dabei habe. Um kurz vor 10 stelle ich mich in einer Hütte auf dem Feld unter, da es so stark regnet. Als ich weitergehe, nähert sich ein Hund hinter einem Zaun. Ich bin dankbar für den Zaun. Solange, bis ich sehe, dass dieser plötzlich einfach endet. Mein Puls erhöht sich. Der Hund passiert den Zaun und rennt hinter mir her. Irgendwann bleibt er stehen. Wie gut! Kurz darauf entdecke ich eine Gruppe Alpakas. Alle stehen und gaffen mich an. Regungslos. Ein kleines hat Kleidung an. Leider regnet es immer noch, aber dennoch stehe ich ewig und freue mich über diesen wundervollen Anblick.
Um 10:30 Uhr regnet es stärker als zuvor an diesem Tag. Ich stelle mich an einem Hauseingang unter, in der Hoffnung, dass es weniger wird. Wird es nicht und somit ziehe ich weiter. Versuche den kürzesten Weg laut Abkürzung zu gehen. Lande in einer Sackgasse, die laut Karte keine sein soll. Ich flippe aus! Muss durch den tiefen Schlamm zurück. Bin super genervt. Um 11:15 Uhr gehe ich an einer Straße entlang. Ein Mann hält mit dem Auto neben mir und sagt irgendwas. Ich sage „Bilbao“. Er antwortet auf Spanisch. Ich sage, dass ich kein Spanisch spreche. Er hebt die Hand und fährt weiter. Fünf Minuten später bin ich mit inzwischen nasser Hose und nasser Thermoleggings in Santillana del Mar angekommen.
Fünfzehn Minuten laufe ich im Regen umher und suche eine Bar. Ich finde eine Art Restaurant oder Bar und werde beim Betreten abgeschlachtet, danach gekonnt ignoriert. Irgendwann bitte ich die Bedienung, mir einen Tee zu machen. Unfreundlich wird er mir viel später gebracht. Ich kann die Unfreundlichkeit der Spanier kaum fassen – kein Vergleich zu meinen Erlebnissen auf dem Camino Portugues 2015. Ich bestelle noch einen zweiten Tee, da ich komplett durchgefroren bin. Anschließend versuche ich im Bad meine Ärmel und mein Funktionstuch zu föhnen. Gelingt mir nur sehr begrenzt. Während ich hier saß, hat es aufgehört zu regnen. Ich ziehe um 12:30 Uhr weiter. Kaum bin ich eine Minute draußen, fängt es wieder an.
Ich bin sofort wieder komplett durchgefroren und mein Knöchel schmerzt. Eigentlich plante ich heute große Teile der Strecke am Meer zu gehen, es wird nun aber auf die Landstraße und damit den kürzesten Weg hinauslaufen. Ich bin genervt. Und habe Lust, Achterbahn zu fahren. Mir fällt auf, dass ich ausschließlich in Achterbahnen meine Schuhe schnüre. Kein Wunder, dass ich nun Schmerzen habe, wenn ich es sonst nie gewohnt bin. Ich bin massiv genervt, da das Laufen entlang einer Landstraße einfach super nervig ist. Der Regen wird nicht weniger. Kurz vor 13 Uhr lasse ich mich an einer Bushaltestelle nieder, um dem Regen aus dem Weg zu gehen. Das führt leider dazu, dass mir noch kälter wird, also gehe ich weiter.
Meine Tao-Jacke begeistert mich. Es geht tatsächlich kein Regen durch, leider wird es aber durchaus kalt darin, obwohl sie winddicht ist. Meine Genervtheit nimmt ungeahnte Dimensionen an und ich frage mich, was eigentlich in Deutschland passiert, wenn man entlang einer Landstraße läuft – nachdem mich zwei Polizisten im Vorbeifahren kritisch beäugt haben. Erstmals scheine ich mich am Vorabend nicht gut um die Akku-Situation gekümmert zu haben und mein Akku ist fast leer. Aufgrund des Regens habe ich keine Lust, mit dem Power Bank zu hantieren, also packe ich es an einer Bushaltestelle weg. Ich gehe weiter und bin angewidert von der Menschheit, weil ich den Müll sehe, der überall am Straßenrand liegt.
Um kurz nach 14 Uhr erreiche ich bereits mein Hotel. Zuerst wasche ich meine Hose, die ungefähr zehn Minuten lang das Wasser braun färbt. Anschließend ruhe ich mich kurz aus und beschließe bald zum Supermarkt zu gehen. Es regnet gerade nicht. Um 15:30 Uhr stehe ich im Supermarkt und freue mich auf echtes Essen. Auf dem Rückweg – in Leggings – gehe ich an einer riesigen Einfahrt vorbei, an der Platz für mehrere LKW nebeneinander ist und ein scheiß Autofahrer fährt extra so nah am Rand durch eine Pfütze, so dass meine Leggings vollgespritzt wird. Das ist meine Erfahrung des ganzen Tages: alle Autofahrer fahren mittig und sobald sie mich sehen, ziehen sie zum Rand und damit in meine Nähe. Ich bin genervt.
Vor allem bin ich genervt von Menschen und Autos und Lärm, da ich seit Tagen sehr viel Ruhe gewohnt bin. Überfordert bin ich … Mit meinem Einkauf stelle ich mich unter, denn es regnet schon wieder extrem. Schnell stelle ich fest, dass Warten nichts bringt und gehe weiter. Um 16:30 Uhr bin ich wieder im Hotel. Ich esse und rechne meine Kilometer zusammen. Mit weniger als 210 insgesamt bin ich bei viel weniger Kilometern, als ich geplant und gehofft hatte. Aufgrund der Wettervorhersage in Kombination mit meiner Müdigkeit verschiebe ich meine Abfahrt für morgen nach hinten. Um 21 Uhr merke ich, dass die Heizungen an sind, die sich bis dahin beharrlich weigerten meine Kleidung zu trocknen. Ich freue mich und schlafe um 22 Uhr.
Kurz vor Mitternacht werde ich wach, weil ich wie an Tag 4 in einer Sauna bin. Ich kann kaum atmen und die Haut an meinem Knöchel juckt so sehr, dass ich sie rausschneiden will. Im Supermarkt hatte ich mir eine Gesichtsmaske gekauft, da der Dreck der vergangenen Woche durchaus einen negativen Einfluss genommen hat. Diese schmiere ich nun großflächig auf meinen Knöchel, da ich sonst nichts habe. Ich versuche noch ein paar Sachen online zu erledigen, wasche doch noch den unteren Teil meiner Thermoleggings, weil die Heizungen ja so gut funktionieren und etwas später schlafe ich weiter.
Dieser Beitrag ist Teil meines Reiseberichts zu meiner Jakobsweg-Wanderung entlang des Camino del Norte im Februar 2018 mit der Laufstrecke Ribadeo – Gijón – Santander – Bilbao.
Weitere Berichte zu meiner Wanderung auf dem spanischen Camino del Norte:
Tag 0: Flug ins verschneite und heizungslose Spanien
Tag 1: Unerwartetes Trampen, Belästigung und fantastische Küste
Tag 2: Hagel, das Tal des Grauens und atemberaubende Meerblicke
Tag 3: Rote Knöchel, Bündel und Wälder auf einer der schönsten Etappen
Tag 4: Atemnot, Tierfreundschaften und das wunderschöne Cudillero
Tag 5: Ausbruch aus dem Hotel, Schmerzen und eine kleine Weltreise
Tag 6: Verpasster Bus, Weltuntergang in Gijón und unfreundliche Spanier
Tag 7: Regen, Sonne und Irland-Feeling in Begleitung
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