Nachdem ich mich für einen Besuch zur Halloween-Zeit (Fright Nights) im Freizeitpark Walibi in Biddinghuizen in den Niederlanden entschieden habe, sah ich mir die Attraktionen an. Für 15 Euro kann man sich in The Clinic von Dr. Adams behandeln lassen. Ich sah die Promo-Videos inklusive panischer, zitternder Menschen. Vor allem las ich, dass man unterschreiben muss, dass Walibi nicht für psychische Schäden haftet. Psychische Schäden durch eine Attraktion in einem Freizeitpark? Nachdem ich mich und jeden, der es nicht hören wollte einen Tag lang fragte, wer so irre sei, so etwas zu unterschreiben und sich auf einer Liege festschnallen zu lassen, war die Inception perfekt: Ich buchte einen Termin – und wurde von fast allen für verrückt erklärt … Hier mein detaillierter Erfahrungsbericht zu allen Räumen in The Clinic in Walibi inklusive Spoilern!
Das Fazit für Gestresste wie immer am Beitragsende und vorab die Info: Ich halte mich wirklich nicht für einen ängstlichen Menschen und bin auch noch nie in einem Kinofilm zusammengezuckt. Etwa 15 Minuten vor meinem Termin in The Clinic finde ich mich in der Warteschlange ein. Meine Recherche hat nicht viel ergeben, außer einiger Videos und Artikel auf Niederländisch, letztere meist nur Pressemeldungen. Was zur Hölle würde so schlimm sein können, dass die Menschen in den Videos so viel Angst haben? Mal ganz ehrlich: es ist ein Parcours mit Schauspielern und man geht nicht einmal wie in einem Haunted House das Risiko ein, dass einem ein anderer Besucher aus Angst panisch die Fingernägel durchs Gesicht zieht. Vielleicht denke ich auch einfach zu rational. Oder ich unterschätze die Attraktion.
Es geht nicht vorwärts und ich habe Angst beim nächsten Termin im Haunted House wegen der Zeit Probleme zu bekommen. Ich frage nach. Zu spät kommen ginge immer, nur nicht zu früh. Gut. Also weiter warten, im Regen. Nach rund 45 Minuten ist es soweit und ich bekomme einen Zettel auf Englisch ausgehändigt. Sechs Kreuze muss ich machen: Ich verstehe, dass ich alleine in The Clinic gehen werde, dass meine Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt sein wird, dass die Schauspieler mich anfassen können, dass mit Stroboskop, Rauch und lauten Soundeffekten gearbeitet wird und, dass The Clinic intensiver und angst-einflößender ist, als die Haunted Houses. Der Vergleich hinkt schon mal, denn letztere kenne ich gar nicht. Aber gut, ich setze das Kreuz. Schließlich versichere ich noch per Kreuz, unter zwei Meter groß zu sein und weniger als 140 Kilogramm zu wiegen. Ich lese was verboten ist und für wen der Besuch nicht geeignet ist. Menschen, die kein Blut sehen können. Aha. Schließlich unterschreibe ich, dass Walibi Holland für keine Schäden jedweder Art, also professionell, körperlich oder emotional haftet. Ich weiß bis heute nicht, was professionelle Schäden sind …
Wenige Minuten später wird mir das Dokument abgenommen und ich werde ins Wartezimmer gebeten. Auf der rechten Seite befindet sich The Clinic, links Neurogen. Ein Foto darf ich nicht machen. Vier graue Stühle befinden sich vor The Clinic und davor ein Tisch mit Prospekten bzw. Heften, wie beim Arzt. Von der Wand starrt mich ein grinsender Arzt an, der wohl Vertrauen suggerieren soll. Bevor ich mich setzen kann wird der Mann auf dem äußersten Stuhl von einer blonden Schwester ins nächste Zimmer gerufen und mir wird mitgeteilt, ich solle nun auf diesem Stuhl platz nehmen. Kurz darauf sitzt rechts von mir ein junger Mann, der mich nervös anblickt. Ich werfe ihm einen ermutigenden Blick mit einem Lächeln zu und nach nur einer Minute Wartezeit öffnet sich die Tür.
Die blonde Schwester wirkt nicht so wahnsinnig, wie die im Video. Die zweite im Raum, mit leuchtend blauen Kontaktlinsen schweigt durchgängig. Die erste Schwester belehrt mich auf Englisch: wenn ich aufhören will, muss ich zweimal sagen „Wake me up“. Ob ich das verstanden habe, vergewissert sie sich mehrmals. Habe ich. Sie sagt, ich solle für ein Foto lächeln und zeigt auf die Webcam, gegenüber der ich platziert wurde. Ich bin nicht begeistert davon, hier fotografiert oder gefilmt zu werden, aber gut. Ich weiß nicht, wann das Foto gemacht wird und sehe zu den Schwestern. Beide stehen rechts von mir und grinsen. Ich sehe wieder zur Kamera. Wieder zu ihnen. Sie grinsen. Mir fällt ein, dass mich das wohl nervös machen soll. Macht es nicht. Die Musik ist nervig und laut im Hintergrund. Vermutlich um Stress zu erzeugen.
Ich werde nach etwa einer Minute in diesem Raum in den nächsten geschickt. Ein winziges Wartezimmer mit hergerichtetem Müll. Für einen kurzen Moment frage ich mich, ob er wirklich hergerichtet ist oder ob die Menschen einfach so sind. Aber nein, alles hergerichtet. Die Musik dröhnt. Nervig. Nicht angsteinflößend. Dasselbe Musikschema immer und immer wieder. Rund 30 Sekunden später kommt eine laute und diesmal brünette Schwester hereingestürmt, die mich auf Niederländisch anmacht. Ich teile ihr mit, dass ich nichts verstehe und sie wiederholt auf Englisch, dass ich Jacke, Schuhe und Socken in eine der Plastiktüten im nächsten winzigen Raum packen soll. Und zwar schnell! In Plastiktüten, auf denen das Grinsen des Clowns Eddie ist. Sie verschwindet so schnell, wie sie erschienen ist. Ich stehe und starre. Ich verbringe den ganzen Tag im Regen und soll meine nassen Schuhe mit meiner Jacke zusammen in eine Tüte packen? Darf ich zwei Tüten nehmen? Traue ich mich irgendwie nicht. Ich stelle die Schuhe nach unten und lege die Jacke darauf. Ekelhaft. Socken lasse ich an, vor allem aber, weil ich erst im Nachhinein realisiere, dass sie das gesagt hatte. Ich setze mich und halte die Tüte. Ich warte. Die Musik ist nervtötend! Ich stelle die Tüte ab. Ich bin müde. Ich schließe die Augen. Die Musik ist vollkommen irre. In der Ferne knallen Türen. Hm. Könnte ich doch Angst bekommen? Ich sitze und warte und bin müde. Manchmal höre ich Stimmen. Vielleicht könnte ich doch Angst bekommen? Der Raum ist wirklich sehr klein. Und weiß. Und die Musik … War ich zu naiv? Wird es doch schlimm? Es baut sich eine gewisse Spannung auf – mit der ich ehrlich nicht gerechnet hatte.
Etwa 3:30 Minuten war ich alleine in dem Raum, bis die brünette Schwester mich aus meiner Spannung reißt und mit einem Schlag alles zunichtemacht. Auf Englisch schreit sie mich schon fast an, dass ich mich beeilen soll. Reißt mir die Tüte aus der Hand und platziert sie unter der Liege. Ich fasse auf die orangefarbene Polsterung, spüre, wie sie weich nachgibt. Ich bin müde. Ich werde von ihr angewiesen, mich hinzulegen und mich zu beeilen. Eine zweite Schwester steht am Kopfende. Sie sagt, ich solle meine Arme eng am Körper lassen. Eine Plane wird über mich gezogen und festgeschnürt. Ziemlich eng im oberen Bereich. Anschließend wird auch eine Fixierung auf meiner Stirn mit Klett angebracht. Verdammt straff. Die neue blonde Schwester grinst mich an. Ich lächle. Der Spannungsmoment ist ruiniert. Die Schwestern schubsen meine Liege an und vermutlich auf Schienen rolle ich durch einen verlassenen Krankenhausgang. Liege am Ende alleine. Bin müde. Liege unbequem. Rutsche ein Stück hoch. Strecke meine Hand unter der Plane hervor und ziehe meinen Schal zurecht. Verstecke meine Hand wieder brav unter der Plane. War so straff wohl doch nicht. Ich warte, dass etwas passiert. Immerhin sind über sechs Minuten schon um und es soll nur 15 gehen.
Ich werde in einen blutüberströmten OP-Saal gezogen. Zwei Personen sind dort. Ein Arzt und ein Helfer. Ich werde schnell vom OP-Licht geblendet, bevor mir jemand Flüssigkeit ins Gesicht sprüht, mir ein Beatmungsgerät auf die Nase drückt und der Arzt sich mit dem rechten Arm auf meinem Oberkörper abstützt, um scheinbar geschäftig meinen Bauch zu operieren. Wirklich viel merke ich davon nicht, da die Plane dazwischen ist. Erneut sprüht mir jemand etwas ins Gesicht, das sich von der Konsistenz jetzt glibbriger anfühlt. Ich lache angewidert. Moment, ist das das Ziel? Soll ich lachen? Der Piepton signalisiert meinen Tod. Es geht weiter. In einen dunklen Raum, der knapp über mir endet. Nichts für klaustrophobische Menschen. Kalte Luft strömt mir entgegen. Mir ist kalt! Als wäre mir nicht draußen schon kalt genug gewesen! Klirrende Scheiben. Ich sehe plötzlich ein eklig anmutendes Wesen direkt über mir. Beeindruckt mich nicht. Weiter. Ein Mann fasst mich an. Am Bein. Nähert sich meinem Gesicht. Wischt mir das Gesicht ab. Mit einem nassen Tuch. Er sieht furchtbar aus. Leichenblass und blutig. Das Tuch riecht seltsam. Ich sage, dass ich hoffe, dass es sich um Desinfektionsmittel handelt. Ich lache schon wieder. Er macht seltsame Geräusche und er sprüht meine Socken ein. Ekelhaft!
Es geht weiter. Das Kopfteil meiner Liege wird hochgefahren und ich sehe mein anfangs gemachtes Foto auf einem Altar. Ich lache laut los. Ich scheine auf meiner Beerdigung zu sein. Eine junge Frau mit schwarzem Schleier wirft sich lautstark weinend und schluchzend auf mich. Ich verstehe irgendwas, von wegen wie jung ich doch noch gewesen sei. Ich kann mich vor Lachen kaum halten – und sie lacht kurz mit. Es geht in einen engen Sarg. Das Polster ist glaube ich lila oder bordeaux. Ein Quadrat über mir wird hell: jemand schüttet Erde von oben auf mich bzw. auf das Plastik über mir. Schon wieder lache ich, denn ich werde einfach mal eben beerdigt. Ich fühle mich wie in dem Film, in dem jemand lebendig begraben ist. Mir fällt der Name nicht ein. Keine Zeit zum Nachdenken. Weiter. Ein Raum mit dem Teufel an der Decke. Der flackert irgendwann, es ist super laut und irgendwann sind Flammen an den Seiten – auch das begeistert mich, vor allem, weil mir immer noch vom zweiten Raum kalt war. Irgendwer lacht böse. Weiter. Jemand fasst meine Haare recht grob an und drückt seine riesige Hand auf mein Gesicht bzw. auf Mund und Kinn. Ekelhaft! Dann liege ich links von einem grünen Vorhang. Wenige Sekunden später wird der weggerissen und ein Mann entfernt unfassbar hektisch die Plane, redet ohne Pause in einer Sprache, die ich zwischenzeitlich immer noch nicht gelernt habe, drückt mir meine Tüte an den Körper und schiebt mich raus. Ich finde mich in einem weißen und mit der Ausgangstür geöffneten Raum wieder. Die Musik vom Anfang dröhnt. Ich verstehe nicht so ganz, dass es schon zu Ende sein soll und ziehe mich an.
Fazit für Gestresste: Nach insgesamt zwölf Minuten war der Spuk in The Clinic in Walibi Holland vorbei. Davon wurde ich nur rund sechs Minuten durch die Räume gefahren. Im letzten Wartezimmer vor dem Beginn konnte nach einiger Zeit wirklich sehr gut Spannung aufgebaut werden. Leider wurde diese mit einem Schlag durch die Hektik der brünetten Schwester kaputt gemacht. Ich bin mir sicher: Hektik und Lärm mögen Stress verursachen, aber Ruhe und Stille verursachen Angst. Hätte alles maximal langsam und leise stattgefunden, kann ich mir vorstellen, dass sich mein Puls beschleunigt hätte. Von Angst zu reden, ist sicher zu hoch gegriffen, aber es hätte zumindest irgendwie unangenehm werden können. Eine blonde, leichenblasse Frau mit Nachthemd und weißen Kontaktlinsen inmitten von Stroboskop-Effekten kann ziemlich beeindruckend sein – vor allem wenn sie sich erst langsam und dann unerwartet schnell bewegt. Leider gab es diese Frau nicht und die Fahrt war für mich nur mit Lachen verbunden.
Im Parkeintritt inklusive wäre das annehmbar gewesen, für 15 Euro war mir das definitiv zu teuer. Ich konnte jedenfalls zeigen, dass es so schlimm gar nicht sein kann. Allerdings auch hier der Hinweis: ich habe im Park junge Mädels erlebt, die alleine aufgrund lauter Geräusche kreischend ins Gebüsch sprangen und kann mir gut vorstellen, dass solche Menschen tatsächlich Angst in The Clinic haben. Auch wenn ich nicht damit gerechnet habe, dass ich so viel lachen würde, ist meine Empfehlung für alle Horror-Fans: trotzdem einfach mal ausprobieren! Vielleicht gruselt es Dich ja doch. Hinterlasse mir gerne einen Kommentar und lass mich wissen, wie Du The Clinic fandest.
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