2014 bin ich nach Neuseeland gereist. Dieses Land wirkte auf mich bis dahin irgendwie unerreichbar, weil es auf der Weltkarte so weit weg aussieht. Mit einem Around-the-World-Ticket konnte ich die tatsächlich lange Reisezeit durch diverse Stopps vorher und nachher aber immerhin gefühlt verkürzen. Wenn ich mir heute Bilder meiner Reise ansehe, denke ich: „Sieht doch schön aus!“. Das Grundgefühl, das ich vor allem vor Ort, aber auch noch im Nachgang hatte und habe ist aber leider eher: „Na geht so …“ – und das liegt an der Relevanz der Reisereihenfolge.
Neuseeland hat mich enttäuscht. Nicht so sehr, wie Australien in der Gegend um Sydney, aber es hat mich enttäuscht. Versteh‘ mich nicht falsch – ich hatte eine wahnsinnig tolle Zeit, die ich nicht missen möchte! Was ich sah, war aber schlicht nicht so spannend und atemberaubend, wie ich mir es vorgestellt hatte. Zwei Illusionen waren schuld daran:
- Etliche Male sah ich die „Herr der Ringe“-Trilogie und habe mit ähnlichen Landschaftsbildern gerechnet.
- Von Menschen, die zum Beispiel direkt nach der Schule ein Jahr nach Neuseeland gegangen sind, las und hörte ich etliche Lobeshymnen.
Wieso konnten diese Aussagen oder Ideen für mich also einfach nicht funktionieren? Schuld sind folgende Denkfehler und Trugschlüsse:
- Die Aufnahmen, die mich bei „Herr der Ringe“ vor allem beeindruckt haben, sind weitläufige Landschaftsaufnahmen aus der Luft. Da ich kein Vogel bin, habe ich Neuseeland jedoch am Boden bereist und konnte solche Bilder nicht sehen. Ausnahme: Der Helikopterflug über Bay of Islands. Der war tatsächlich der Wahnsinn!
- Wäre ich auch direkt nach der Schule alleine, ohne große Reiseerfahrung und für ein Jahr nach Neuseeland, hätte ich vermutlich auch davon geschwärmt. Ich war aber weder ein Jahr lang da, noch war ich reiseunerfahren: vor Neuseeland habe ich bereits rund 30 andere Länder bereist.
Was hat mir die Reise nach Neuseeland also für Erkenntnisse geliefert, abgesehen von der schon wieder halb verdrängten philosophischen Idee, dass man mit jeder Reise doch irgendwie immer mehr abstumpft, weil man vielleicht doch nur auf der Suche nach etwas ganz Neuem ist? Bei Filmen muss ich doch etwas mehr darauf achten, ob es realistisch ist, entsprechende Bilder vor Ort sehen zu können. Eine Ausnahme bilden konkrete Drehortbesuche, bei denen man meist wenig falsch machen kann und die ich nach wie vor gerne mache. Bei Reisetipps und -empfehlungen ist es immer wichtig abzugleichen, wo der Empfehlende vorher bereits war – was er also bereits von der Welt gesehen hat. Die Relevanz der Reisereihenfolge ist meiner Ansicht nach absolut grundlegend.
Ich vergleiche das auch immer sehr gerne mit Technik: Wer immer nur einer Marke treu war, hat keinen Vergleich und kann nur mutmaßen, ob andere Marken besser oder schlechter sind. Ein vergleichendes Urteil ist in diesem Fall haltlos. So ist das auch beim Reisen: Wer in den USA nur in Kalifornien war und mir dann sagt, dass der Pacific Coast Highway (PCH) das schönste Ziel des Landes ist … Sorry, aber so funktioniert das nicht. Wenn jemand hingegen in allen Küstenstaaten der USA bereits mehrere Wochen verbracht hat und alle Küstenstrecken abgefahren ist, dann hat es mehr Gewicht, wenn er sagt, dass Oregon die schönste Küste hat – schöner sogar, als die entlang des PCH. Um herauszufinden, ob die Küste mir selbst dann auch gefällt, geht es aber erst noch um die Relevanz der Reisepäferenzen.
Um sich auf die Reiseempfehlungen anderer verlassen zu können, ist es meiner Ansicht nach unglaublich wichtig, welche Reisen derjenige in der Vergangenheit bereits unternommen hat. Nachdem ich die Schweiz, Kanada und 48 Staaten der USA bereist habe, war Neuseeland nur noch bedingt spannend für mich. Ein Bekannter, der Schottland und die Schweiz bereits ausgiebig bereist hat, empfand Neuseeland ähnlich unspektakulär. Wir beide fanden es zwar insgesamt schön, aber irgendwie gab es abgesehen von einigen wirklich fantastischen Unterkünften nur wenige Wow-Momente. Vielleicht war es naiv von mir zu denken, dass ich in Neuseeland ankomme und mich wie im Auenland fühle – andererseits war genau das bei meinem ersten Besuch im US-Staat South Dakota der Fall und auf solche Momente hoffte ich eben auch für Neuseeland.
Fazit: Immer dran denken, bei Reisetipps und -empfehlungen auch Fragen zu früheren Reisen zu stellen und vor allem auch noch die individuellen Wünsche und Reisepräferenzen abgleichen, statt direkt zu buchen!
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