Im Sommer 2016 packte ich morgens mein Bündel und ging von Wiesbaden zur Loreley bzw. zum nächsten Bahnhof in St. Goarshausen: 55 km an einem Tag. Ich wollte nach meiner Wanderung auf dem Jakobsweg (Camino Portugues) beweisen, dass ich mehr als 42 Kilometer an einem Tag schaffen würde. Seit ich 2016 also die 55 Kilometer geknackt habe und seit ich 2018 erneut den Jakobsweg (Camino del Norte) lief, ließen mich zwei Gedanken nicht mehr los: die Strecke entlang des Rheins noch einmal gehen, weil sie so schön war, und einmal über 70 km an einem Tag gehen. Im Juni 2018 konnte ich den ersten Gedanken umsetzen, packte erneut relativ spontan und zog los. Diesmal ohne Umwege und ohne Überbrückung einer Teilstrecke mit der Bahn, erneut aber 55 Kilometer.
Das Wetter morgens war gut. Zwar war der Wind ziemlich frisch, aber dennoch hatte ich den Eindruck, meine Kleidung sei gut gewählt. Ich entschied mich für eine kurze Sporthose, sowie mein Funktionsshirt und meine wind- und wasserdichte Jacke vom Jakobsweg. Ich zog meine lange bewährten Skechers mit „Memory Foam“-Sohle an, was sich als perfekte Wahl herausstellte.
Mein Rucksack wog unfassbar schwere 5,6 kg, als ich mich auf den Weg machte. Zum Vergleich: meine Packliste von 2016 für dieselbe Strecke. Ich hatte eine 0,75-Liter-Wasserflasche, zwei Äpfel, fünf Nektarinen, zwei Bananen, drei Protein- und einen Energieriegel, Knäckebrot, eine Salatgurke und 500 g kleine Tomaten dabei.
Außerdem dabei hatte ich ein Tanktop, das aufgrund des kalten Windes überflüssig war, eine Kamera, drei Smartphones, ein Power Bank, eine Kniebandage und aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen noch meine Leguano Schuhe. Natürlich noch Desinfektionsmittel und Taschentücher.
Meine Strecke führte mich von Wiesbaden-Schierstein über Walluf, Eltville am Rhein, vorbei an Erbach, Hattenheim, Oestrich, Oestrich-Winkel, Winkel und Geisenheim bis ins touristische und ziemlich volle Rüdesheim am Rhein. Von dort ging es durch die Weinberge ins wundervolle Assmannshausen.
Zwischen Assmannshausen und Lorch befindet sich kein Gehweg mehr entlang des Rheins. Wer hier gehen will, muss entlang der B42 gehen – und zwar direkt am Fahrbahnrand. Letztes Mal umging ich diesen Abschnitt mit dem Zug, diesmal nicht. Die Strecke zieht sich und gibt landschaftlich leider nicht viel her. Mein Tipp: mit dem Zug bis Lorch fahren oder den Rheinsteig wählen, der allerdings mehr Kilometer und Steigung für die Strecke aufweist.
Hinter Lorch passierte ich die Grenze von Hessen nach Rheinland-Pfalz. Es folgten Kaub, nach einiger Zeit die Loreley und schließlich kurz nach Sonnenuntergang St. Goarshausen. Hier stieg ich gegen 22:30 Uhr in den letzten Zug, der zurück nach Wiesbaden fuhr und in dem es fast noch zu einer Schlägerei zwischen mehreren Männern kam, die mindestens 50 Jahre alt waren.
Toiletten gab es entlang der Strecke ausreichend, vor allem, da die Restaurants am Wochenende geöffnet hatten und man dorthin oder in Hotels ausweichen konnte. Wäre dem nicht so gewesen, hätte es auch mit Wasser auffüllen recht schlecht ausgesehen und man hätte mehr mitnehmen müssen.
Besonders in den Weinbergen war das Wetter grandios. Danach zog es jedoch leider sehr schnell sehr stark zu und der Wind wurde eisig. In windstillen Ecken hätte ein Tanktop gereicht, die meiste Zeit hatte ich aber tatsächlich meine Jacke an und bis oben hin zu. Ein Funktionstuch für den Hals habe ich sehr vermisst – das hatte ich morgens vergessen.
Meine Skechers waren vom Laufen und vom Wetter her perfekt. Einzig blöd war, dass ich entlang des Abschnittes ohne richtigen Weg am Rand durch eine Baustelle lief und fest davon überzeugt war, der Boden sei fest. War er nicht und somit versank ich im Schlamm. Glücklicherweise nur millimetergenau bis zum Rand der Schuhe, sonst wäre der Schlamm auch im Schuh gewesen. Das Nötigste konnte ich dank Desinfektionsmittel und Taschentüchern an Beinen und Schuhen retten, den Rest erledigten am Abend die Dusche und am nächsten Tag die Waschmaschine.
Wer die Strecke auch gehen möchte, dem empfehle ich bei ausreichender Fitness den Rheinsteig, der wesentlich schöner ist, als die Strecke an der Straße entlang. Ansonsten ist vor allem das obere Mittelrheintal, das zum UNESCO-Welterbe zählt, sehenswert und auch mit dem Auto oder mit dem Zug immer eine Reise wert.
Etwa ab Kilometer 45 spürte ich, dass ich viel gelaufen war. Ich spürte meine seitlichen Oberschenkel und ich spürte das Auftreten. Es waren keine ernstzunehmenden Schmerzen, aber mein Körper bemerkte die Anstrengung durchaus. Generell kann ich aber sagen, trug meine allgemein seit 2016 noch mehr gesteigerte Fitness dazu bei, dass ich die Strecke relativ problemlos bestreiten konnte. Auch mein Knie machte keine ernstzunehmenden Probleme, wie es 2016 bei Auf- und Abstieg noch der Fall war.
Am Ende des Tages kam ich auf rund 55 Kilometer in insgesamt fast rund 14 Stunden und 45 Minuten, inklusive weniger Pausen und jede Menge (Makro-)Foto-Pausen. Durchschnittlich schaffte ich also einen Kilometer in etwa 16 Minuten und war damit etwas langsamer als beim ersten Mal, was aber vor allem den Fotos geschuldet war. Ich hatte insgesamt 841 Metern Aufstieg und 838 Meter Abstieg während der gesamten Tour. Die maximale Höhe, auf der ich mich befand, lag bei 228 Metern.
Da 55 Kilometer für mich nicht genug waren, lief ich binnen zehn Tagen nach dieser Wanderung übrigens wieder – diesmal mit dem Ziel die 71 Kilometer zu knacken. Wie dieser Tag verlief, berichte ich bald. Einige meiner Makro-Fotos, die im Rahmen meiner 55 Kilometer entstanden, findest Du in meiner Collage der Fotoparade zum ersten Reisehalbjahr 2018.
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